Packpferde Tour im Yukon

Abenteuerlust vs. Angststörung

Most people are afraid of the so called dangerous road.

They rather stay on the path everybody else had already and always taken .

Without thinking cruising canals on the hop on hop off boat,

there’ll never be an awakening .

Life is full of wonders ,

you’ll only experience when leaving the path,

although you might suffer terrible thunders,

you will be the one showing no wrath.

Be brave, explore the world,

show kindness, stay true,

Bury every kind of sword

and the world will love you.

Irgendwann entwickelte sich in mir der Traum eine Packpferde – Tour in der Wildnis Kanadas zu machen. Wo und wann diese Idee geboren wurde, weiß ich gar nicht mehr. Aber fest stand, ich wollte meinen 50. Geburtstag so erleben. Am tatsächlichen Geburtstag war ich letztlich in Marrakesch, denn diese besondere Tour in Kanada wurde nur 2x im Jahr angeboten, so dass es erst 2 Monate später auf Reisen ging. Die Reise wurde etwas komfortabler beschrieben als sie am Ende war, aber das war nicht das Problem. Mein Problem war ein ganz anderes. Ich erinnere mich nicht, ob ich es vorher auch schon in unauffälligeren Formen erlebte, aber die Reise war der Beginn meiner Angststörung, die häufiger auf Episoden der Depression folgen kann und nicht ungewöhnlich ist. Ich hatte meinen Trip alleine geplant, jedoch wollte mein jetziger Partner mich begleiten, selbst wenn wir nicht zusammen bleiben würden. Diesen Wunsch äußerte er am Beginn unseres Kennenlernens damals, so dass es tatsächlich in den Sternen stand, ob wir ein dreiviertel Jahr später ein Paar sein würden. Zum Glück konnte ich dieses Abenteuer mit ihm teilen, er stand mir in schwierigen Momenten beiseite und wir lieben uns noch heute.

Eventuell war in meinem Kopf, dass ich nach der Reise eine Operation vor mir hatte, die mir Angst machte. Auch wollten die Ärzte nicht, dass ich die Reise antrat, letztlich ging alles gut, über alles andere denke ich heute nicht mehr nach.

Der Tag war gekommen, wir gingen an Bord eines Lufthansa Fluges nach Vancouver. Sobald die Maschine die Flughöhe erreicht hatte, fing es in meinem Kopf an zu arbeiten, bis zu welchem Zeitpunkt ich den Piloten noch zur Umkehr bewegen konnte, bevor wir nur über Wasser waren. Ich bekam Herzrasen, klatschnasse Hände, meine Beine wurden taub und ich war mir sicher ich würde den Flug nicht überleben. Dieser Zustand war mir komplett neu. Ich arbeitete ja Jahre für Fluggesellschaften, war Langstreckenflüge gewohnt und liebte das Fliegen. Was den Zustand verschlimmerte war, dass ich nicht aufstehen konnte, geschweige denn aussteigen. Ich habe lange mit mir gerungen, aber dann tatsächlich die Crew über meinen Zustand informiert. Natürlich konnten sie wenig tun, hatten aber Verständnis und sahen immer wieder nach mir. Ca. 2 Stunden kämpfte ich mit der belastenden Situation, bis sich Kopf und Körper beruhigten, ich Filme schauen konnte, um mich abzulenken und wir sicher Stunden später landeten. Es war so schlimm, dass ich sofort nach Landung meinen Arbeitgeber anrief, ich könne nicht mehr zurück, da mich keine 10 Pferde mehr in ein Flugzeug bringen, obwohl ich ja eigentlich keine Flugangst hatte.

Die Angst blieb lange hängen. Die ersten Tage verbrachten wir in Vancouver. Auch dort überraschten mich immer wieder Panikattacken, die ich weder einordnen, noch begründen oder verhindern konnte. Zum Beispiel liehen wir uns Räder und mich überforderte der Verkehr in der Stadt plötzlich so sehr, dass ich absteigen und mich auf den Bürgersteig setzen musste inmitten des Chaos. Ständig hatte ich das Gefühl ich werde ohnmächtig und sterbe einfach.

Da mir nichts besseres einfiel, kaufte ich mir zumindest Bachblüten rescue Tropfen und Kaubonbons, bevor wir den Flug nach Whitehorse antraten, der aber unauffällig verlief. Whitehorse liegt am Yukon River genau da, wo während des Klondike-Goldrausches die Goldsucher die Whitehorse-Stromschnellen zu überwinden hatten. Whitehorse ist seit 1953 die Hauptstadt des Yukon-Territorium. Mit einer Mainstreet ist die Stadt sehr übersichtlich. Im Winter ist die Stadt auch Startpunkt des Hundeschlittenrennens, dem Yukon Quest, an dem auch unsere Gastgeberin Jocelyn auf der eineinhalb Stunden entfernten Sky High Wilderness Ranch am Fish Lake erfolgreich teilnahm. Wir wurden freundlich von Gary am Flughafen in Emfang genommen und fuhren mit einem Pick up auf unbefestigten Wegen zur Ranch. Gary ist der Betriebsleiter bei Sky High. Er beaufsichtigt den Betrieb der Touren sowie die Konstruktion und das Personalmanagement. Er ist ein begeisterter Jäger und Angler und seine Liebe zur Natur hilft ihm, dem Motto treu zu bleiben, die „Wildnis“ in all den Touren lebendig zu halten.

Ab Ankunft hieß es dann für die nächsten 10 Tage kein Strom und kein fließend Wasser. Wir lernten unsere Gruppe kennen, die ich sehr schätzen lernte in unserer gemeinsamen Zeit. Ein pensionierter amerikanischer Feuerwehrmann, der selbst Pferde besaß, eine junge Französin, die die Tour unterstützte und eine junge Schweizerin. Und natürlich am wichtigsten; Ian unser Guide. Ursprünglich aus Kalifornien stammend, kam Ian 1974 im Alter von 20 Jahren in den Yukon. Er ist ein echter Yukon-Cowboy, der schon lange hier lebt. Er ist ein erfahrener Trapper, Musher und Pferdemann. Die Gegend um den Fish Lake ist sein Revier und er kennt jeden Trail, jeden Bach und jeden Berg. Auch ihn mochte ich sehr. Zwei Nächte blieben wir auf der Ranch, lernten uns und die Pferde kennen, unternahmen Tagesausritte, bevor es auf den längeren Trip mit Übernachtungen im Zelt losging. Untergebracht waren wir auf der Ranch in einfachen Zimmern, draußen auf dem Gelände waren zwei „outhouses“(WC), zum Waschen erhitzten wir uns Wasser über dem Ofen.

Auf der Ranch waren auch ca. 150 Schlittenhunde untergebracht. Jedes Mal zur Fütterungszeit wurde es laut. Ein Partner der Ranch ist nämlich Jocelyn Leblanc. Sie ist in New Brunswick aufgewachsen und kam vor mehr als 13 Jahren in den Yukon. Sie hat ca. 44 Hunde, einschließlich ihres Rennteams, und nahm 2010 am Yukon Quest teil, wo sie sowohl den „Red Lantern Award“ als auch den „Challenge of the North Award“ für das Absolvieren des Quest von Dawson City mit nur 7 Hunden gewann.

Die Pferde dort leben von ca. Oktober an in der Wildnis und werden im Mai zur Ranch geholt. Sie sind sehr trittfest und robust. Meine Pferde zuhause waren Dressurpferde mit guter Abstammung, aber sehr empfindlich und haben in den Jahren viel Tierarztkosten verschlungen. Mir wurde die 4 jährige Stute „Cricket“ zugeteilt und ich mochte sie sofort. Zelte, Schlafsäcke, Kochgeschirr und Lebensmittel wurden verpackt und auf 4 Packpferde verteilt. An unseren Sätteln waren lediglich noch kleine Satteltaschen befestigt. In einer greifbar waren meine rescue drops verstaut, ansonsten die neue Outdoor Kamera und ein Regenponcho, den wir leider häufig brauchten. Das Reiten in der kleinen Gruppe war sehr entspannt und ruhig. Jeder war in Gedanken und ergriffen von der Weite. In den kommenden Tagen begegneten wir niemand. Wir ritten stundenlang auf unbefestigtem Terrain, Wege existierten nicht. Teilweise waren die Büsche genauso hoch wie wir auf den Pferden und schlugen uns gegen die Körper. Wir ritten durch Wasser, an Bergkämmen entlang; teilweise bis zu 8 Stunden am Tag. Auch wenn ich zuhause täglich ritt, war dies nicht zu vergleichen. Es war so anstrengend, dass ich, wenn ich abstieg, richtig zittrige Beine hatte. Wir ritten bei strömenden Regen im Wechsel mit Sonnenschein, im Großen und Ganzen war es aber nass und kühl. Die Landschaft war beeindruckend, auch wenn ich vorher schon in Nordamerika war und Weiten erfahren habe, hier im Yukon ist es noch einmal ganz anders. Wenn wir einen Rastplatz erreicht hatten, sattelten wir die Pferde ab, banden sie fest und widmeten uns den Packpferden, um Lebensmittel, Geschirr, Zelte, usw. abzuladen. Teilweise übernachteten wir bei einer Hütte, sobald man hinein schaute, war aber schnell klar, dass das Zelt die bessere Wahl war. Zumindest waren unsere Sachen ab und zu im Trockenen. Abends bereiteten wir eine einfache gemeinsame Mahlzeit über dem Feuer vor und plauderten angenehm. Jeden Morgen brauchte es einige Zeit, bis wieder alles in die Container verräumt war und auf den Packpferden verzurrt war. Meine Cricket war immer schnell gesattelt und gezäumt, leider dauerte es ihr jedoch einen Morgen alles in allem zu lange und sie legte sich gesattelt noch einmal hin und zerquetschte dabei meine neue outdoor Camera, die ihr Gewicht leider nicht aushielt. Das war Pech. Die Strecke wird vorher nicht einmal probeweise abgeritten, so dass es jedes Jahr im Frühsommer zu Überraschungen kommt, da die Biber lange Zeit haben ganze Arbeit zu leisten. Übrigens muss das Wasser immer gefiltert werden, sonst läuft man Gefahr am „beaver fever“ zu erkranken. Durch den großflächigen Umbau der Biber in der Natur, gerieten wir plötzlich in sumpfiges Gelände. Mit Entsetzen sah ich vor mir die Packpferde einsinken und in Panik geraten. Es war ein wahnsinniges Durcheinander, irgendwie schafften sie sich aber aus der Situation zu befreien. Auch das Pferd meines Partners geriet in den Sumpf und sank mit den Hinterbeinen tief ein. Es ist ein fürchterliches Gefühl auf dem Pferd dahinter zusehen zu müssen und nichts tun zu können, außer sich einen anderen Weg zu überlegen. Mein Partner sprang vom Pferd auf ca. einen m² festeren Boden und konnte sich und sein Pferd retten. Auf dem gesamten Trip verließ ich mich auf meine junge Stute und überließ ihr in Gefahrensituationen die Wahl des Weges und sie lag immer richtig, denn wir beide waren nie in einer misslichen Lage. Ein bisschen anstrengender zu handeln war sie tatsächlich nur einmal an einem See bei schwülem Wetter, da die Mücken sie ärgerten.

Die meiste Zeit ging es mir sehr gut während des Trips. Manchmal machte mir die Höhe und Weite Angst und ich beruhigte mich mit einem Griff in die Satteltasche nach meinen rescue drops. Und wenn es nur der Glaube daran war, Schlimmeres konnte ich immer abwenden. Die Tage auf den Pferden durch die Gegend zu ziehen, insgesamt wenig Worte zu verlieren, hatte etwas Meditatives und genau so hatte ich es mir auch vorgestellt. Mit meiner kleinen Stute Cricket fühlte ich eine Einheit und genoss die Zeit mit ihr. Ein Tag jedoch überforderte mich völlig, ich verlor meinen Mut, war mit meinen Kräften am Ende und wäre die Chance da gewesen, hätte ich nicht nein gesagt, hätte es ein Angebot gegeben, dass ein Helikopter mich ausfliegt. Aber mitten in der Wildnis gibt es kein Zurück, ich musste mich meinen Ängsten stellen. Wir hatten einen Tagesritt in strömendem Regen, es war nasskalt, ich fror und hatte keine Lust mehr. Das ist noch zu steuern, in emotionale Panik geriet ich aber, als wir hoch oben auf einem Bergkamm ritten. Rechts und links metertiefer Abgrund, der Boden völlig aufgeweicht. Vor mir sah ich die beladenen Packpferde auf dem schmalen Grad, die Schweife aneinander gebunden, und ich stellte mir vor, eines rutscht aus und zieht alle miteinander in die Tiefe. In mir steigerte sich die Angst, es gab jedoch keine Chance die Situation zu verlassen, ich musste mich ihr ergeben. Heute kann ich es gut akzeptieren, wenn ich eine depressive Episode habe, diese anzunehmen und auszusitzen. Ich weiß es passiert mir nichts. Aber aus einer Panikattacke auszusteigen, gelingt mir bis heute nicht. Dieses Mal zumindest gab es für meine Angst einen Grund. Es kam viel zusammen. Mein Körper war von den Strapazen geschwächt, ich war durchnässt und fror, es gab keine Aussicht auf Besserung des Wetters und den Bergkamm hatten wir auch lange noch nicht verlassen. Die nächste Rast und Nacht war an einem Fluss geplant, sicher einmalig schön, aber nicht im strömenden Regen. Schnell halfen wir uns gegenseitig die Zelte aufzubauen. Ich verkroch mich in den Schalfsack, nichts war mehr trocken, essen wollte ich auch nichts, nur weinen und mich am liebsten nach Hause in mein Bett beamen und an einem sicheren Ort aufwachen. Matt, der pensionierte Feuerwehrmann aus Ohio, schaffte es irgendwie für uns bei strömenden Regen Hühnchen mit Brokkoli zu kochen und brachte mir einen Teller ins Zelt. Ich aß ein paar Bissen und war ihm sehr dankbar. Einmal musste ich noch raus in den strömenden Regen um Pipi zu machen. Ich traf auf unseren Guide und sprach ihn auf meine Ängste an, sagte ihm, dass es mir nichts ausmacht 8 oder 10 Stunden im Sattel zu sein, aber, dass ich mittlerweise um mein Leben fürchte, aufgrund des durchweichten Bodens überall. Im Gegensatz zu mir, nahm er meine Ängste nicht sehr ernst, was vielleicht die richtige Einstellung in dem Moment war und entgegnete mir stattdessen nur: „Ach Andrea, ich war hier schon bei Eis und Schnee tagelang unterwegs. Mach dir keine Sorgen“. Natürlich auf Englisch. Gut, ca. 50 Jahre ritt er dort durch die Gegend, das war sein Leben. Was blieb mir übrig, ich musste die Situation akzeptieren und vor allem mich auch darauf einlassen. Immer noch frierend und etwas resignierend verzog ich mich wieder in mein Zelt und hatte zum Glück meinen geliebten Menschen neben mir. Die Nacht war kurz, aufgeregte Rufe weckten uns. Drei der Packpferde rissen sich in der Nacht los, wir banden sie immer mit langen Stricken an Büschen fest und waren über alle Berge. Die junge Französin, die die Tour mit begleitete sattelte schnell ihren Schecken und galoppierte los. Kurz wurde darüber diskutiert, ob ich mit Cricket folgen sollte. Manchmal fragte ich mich schon, ob die Summe für die Reise gerechtfertigt war 😉 Unser Guide bereitete sich aber auch schon vor. Durch einen Reitunfall war er ein wenig eingeschränkt, was seine Beweglichkeit anging. Also entschied ich ihn zu unterstützen und sein Pferd zu satteln. Ich weiß nicht mehr wie viel Zeit verging, jedoch tauchten die Pferde über die Bergkuppen wieder auf und alles in allem mussten wir nur etwas Zeit aufholen um das Tagesziel zu erreichen. Abgelenkt von der nächsten Aufregung war meine Angst verschwunden. Außerdem regnete es nicht mehr. Meine Stute war trittsicher. Eigentlich erinnerte sie mich mehr an eine Gemse, wie sie sich mit dieser Leichtigkeit im Gebirge bewegte. Wenn es bergauf ging, warteten wir ab, bis alle Pferde im Schritt oben waren, dann galoppierte sie hinterher. Das machte nicht nur mir, sondern scheinbar auch ihr sehr viel Spaß. Es ist schon ein seltsames Gefühl wenn man sich tagelang mitten in der Wildnis ohne Straßen, Wege oder Begegnungen bewegt. Das kann Angst machen. Später erfuhr ich, dass wir ein Satellitentelefon für den Notfall dabei hatten. Am letzten Tag wurden die Pferde etwas schneller, es ging zurück zur Ranch. Der Ofen wärmte in der Hütte, über dem Feuer heizten wir den Wassersack und wir alle konnten endlich duschen. Jetzt war sogar das Outhouse (Außen WC/Plumpsklo) ein Luxus. Jocelyn hatte gekocht und wir saßen wieder an einem Tisch und nicht mehr auf nassem Boden. Ich erinnere mich noch gut,dass außer unserer zurückkehrenden Gruppe noch eine australische Dame für eine Nacht Gast auf der Ranch war und wie sie mir nach den ruhigen 10 Tagen in der Natur, mit ihrem unwichtigen Geplapper über ihren Job auf die Nerven ging. Vielleicht war ich aber auch nur übermüdet und entkräftet. Am nächsten Tag verließen wir die Ranch um noch eine Nacht im einzigen Hotel auf der Mainstreet in Whitehorse zu übernachten. Weiße Bettwäsche und eine richtige Dusche taten gut. Am späten Nachmittag gönnten wir uns Bier und Fischburger im Klondike Rib & Salmon. Wir waren noch immer sehr ruhig und ließen die Zeit etwas Revue passieren. Am liebsten hätte ich Cricket mit nach Hause genommen, aber damit hätte ich ihr keinen Gefallen getan. Der Rückflug stellte sich für mich nicht als Problem dar. Im Anschluß wurde ich erfolgreich operiert. Die Angststörung ist mir zuhause mit immer wieder kehrenden Panikattacken geblieben und war nur medikamentös zu lösen, letzlich. Diese Reise war besonders und gerne möchte ich wieder an besondere Orte reisen und auch Abenteuer erleben. Ich hatte mir überlegt, ob ich an den Reiseanbieter ein paar Zeilen richte, denn die Reise war nicht wie beschrieben. Aber auf der anderen Seite war es schließlich unwichtig, denn der Trip bot so viel mehr. Die Tour, welche sowieso nur 2 mal im Jahr stattfand wurde eingestellt. Das macht die Teilnahme noch einmal besonders. Ich könnte noch sehr viel von Eindrücken der Reise schreiben, auch von all den vielen Tieren, die uns in freier Wildbahn begegnet sind, aber wichtig ist mir mit diesem Bericht zu betonen, dass wir so viel stärker sind, als wir es von uns selbst glauben. Wir alle können gewohnte Pfade verlassen, um noch einmal auf meine Anfangszeilen zurück zu kommen, und manchmal ist es auch notwendig um im Leben weiter zu kommen. Und für uns alle, die mit psychischen Erkrankungen kämpfen: es ist nicht das „Aus“. Wir können trotzdem herrliche Dinge erleben und erlernen mit der Erkrankung zu leben.

Das Leben ist nicht einfach mein Kind; aber fass‘ dir ein Herz, es kann herrlich sein!

Eine Welt im Schwanken

Ich sehe sie deutlich vor mir, die Gefahr;

noch nie war sie so nah.

Völlig beherrscht von düsteren Gedanken,

gerät meine Welt heftig ins Schwanken.

Gewaltig nimmt es mich ein, das ungute Gefühl.

Mein Kopf ein einziges irres Gewühl.

Mein Körper ein ewiges Gezitter,

immer stärker werden die Gewitter.

Hab doch endlich Erbarmen

und fang mich auf mit schützenden Armen.

Laß mich meinen Frieden finden,

diese Hürde endlich überwinden.

Jetzt kommt das Jahresende.

Ich frag mich, bringt es die Wende?

Schon als Kind nur gehasst,

die aufgesetzten Gesichter haben mir noch nie gepasst.

Obwohl; darin war ich bis jetzt ganz gut,

es zweifelt niemand an meinem Mut.

Wer erkennt schon die Wahrheit,

niemand sieht mit solcher Klarheit.

Da ist ein Mensch hilflos und allein,

mag er nach außen auch noch so fröhlich sein….

In dieser eigenartigen Zeit habe ich meine Zeilen von Dezember 2011 gewählt. Ich bin voller Sorge und denke oft daran, wie es gerade diesen Herbst und Winter depressiven und einsamen Menschen geht. Wie lange noch siegt das Lächeln und bleibt der Mut? Voller Hoffnung gehen wir doch oft ins neue Jahr, gelingt uns dies auch dieses Jahr ? Mir geht es sehr gut und trotzdem liegt mit der Corona Pandemie, den Folgen und Maßnahmen eine Schwere auf mir. Ich bin sicher vielen von uns drückt es auf die Stimmung. Wir sind sehr viel alleine, sehen unsere Freunde nicht, eine vorweihnachtliche Ruhe und Sanftheit will nicht so richtig aufkommen. Gesellige Treffen in lockerer Atmosphäre fallen aus. Überall herrscht nur ein Thema vor. Mit Schrecken denke ich an einsame Menschen. Wir können verurteilen, wenn z.B. ein verzweifelter Mensch jeden Abend seine Kneipe aufsucht, um den Alltagssorgen zu entfliehen. Aber was macht derjenige jetzt? In der dunklen Zeit alleine zuhause sitzen. Ich denke dabei an meinen Vater, der, nachdem sich unsere Mutter das Leben nahm, sich immer mehr abschottete, immer einsamer wurde und den Trost im Alkohol suchte. Mein Bruder und ich konnten da nicht viel ausrichten, leider. Mit dem täglichen Weg in die Gaststätte blieb zumindest diese eine Routine und er hatte Gesellschaft und konnte sich ausstauschen. Und diese Routine ist so wichtig. Es hilft ungemein einen Rhythmus zu haben, sich anzuziehen und aus dem Haus zu gehen. Meine rüstige (Ex-) Schwiegermutter wohnt in einem Dorf im Odenwald und traf sich mit Freunden regelmäßig im Cafe in Erbach . Auch das fällt aus. Wie viele Menschen sitzen alleine zuhause ohne Ansprache. Wenn ich in sozialen Netzwerken von Bekannten lesen darf,“macht es euch am Kamin gemütlich, kocht euch etwas Gutes, usw.“, denke ich an all die Menschen , die eben nicht so gut situiert sind – und die sind weit in der Überzahl- und auf engstem Raum mit existentiellen Sorgen leben müssen. Unser Gesundheitssystem ist überlastet. Unsere Seelsorge ist es auch! Achten wir alle unsere Mitmenschen in dieser schwierigen Zeit. Nicht allein nur ältere und vorerkrankte Mitbürger brauchen jetzt unsere Aufmerksamkeit. Achten wir auch auf die vielen einsamen, psychisch kranken, in ihrer Exisenz bedrohten und verzweifelten Menschen, genauso auch auf unsere verängstigten Kinder, denn all diese Menschen werden gerade noch weiter an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt. In der Politik und in den Medien haben sie kein Sprachrohr, da fehlt es sehr an Mitgefühl. Arbeiten wir in dieser Hinsicht an einer besseren Zukunft für uns alle.

Black dog days

Das Versteck

Ach, wäre ich doch eine kleine Maus

oder besser noch eine Laus.

In jeden Winkel würde ich passen,

mich meiner Laune überlassen.

Würde es mir so richtig gemütlich machen,

mich einkuscheln in weiche Sachen.

Still abwarten bis der Nebel geht

und die Sonne wieder hoch am Himmel steht.

Aber dies ist nur ein Traum,

ich stelle mich und verlasse den Raum.

Versuche das Beste daraus zu machen;

ich werde warten auf mein Lachen!

Meistens habe ich sehr ernst und düster über meinen erbärmlichen Zustand geschrieben, manchmal aber auch etwas versöhnlicher und nicht ganz so ernst nehmend, wie in „Das Versteck“. Diese Zeilen sind jetzt neun Jahre her und doch treffen sie auch heute noch zu. Die Zeit in der ich monatelang litt ist glücklicherweise lange vorbei und doch schleichen sich immer mal wieder einzelne Tage ein, an denen ich mich verstecken möchte und einfach abwarten möchte, bis „es“ vorbei ist. Dann wache ich auf, fühle mich kaum in der Lage aufzustehen, immer den Tränen nahe und als ob ein Elefant auf meinem Brustkorb sitzt. Mein Partner ruft im Haus hoch, dass ich doch aufstehen soll. Früher wäre ich einfach liegen geblieben, heute rappele ich mich auf. Es ist nicht, dass, ich über das depressive Gefühl hinweg gehe; im Gegenteil, ich mache es mir sehr bewusst. In meinem Kopf werden mal wieder falsche Signale gesendet; Botenstoffe übermitteln falsche Nachrichten an Nervenzellen! Ich wache einfach damit auf, es gibt keinen Auslöser. Meinem Partner beschreibe ich den Zustand, als wäre dick Stretchfolie um mich gewickelt, so dass ich bewegungsunfähig bin und das Atmen mir schwer fällt. Zudem bin ich sehr ruhig in diesen Stunden. Vielleicht genießt er es in diesen Augenblicken sogar, denn sonst kann ich auch gut ein Plappermaul sein ;). Ich gehe zur Arbeit und gegen Mittag ist die dunkle Wolke um mich verschwunden. Einfach so, Glück gehabt heute! Heute kann ich es als so einfach schildern; das war es natürlich nicht und ist es bis heute nicht. Nicht umsonst war ich lange in Therapie, werde bis heute medizinisch begleitet und trainiere den Umgang mit meinem Anhängsel. Aber ich habe gelernt die Krankheit Depression zu akzeptieren. Sie wird immer mein Begleiter sein. Plump gesagt, wir haben Freundschaft geschlossen. Na ja, nicht ganz, eher, ich akzeptiere und respektiere meine Begleitung. Mal ist sie dominanter, mal weniger herrschend. Es ist und bleibt ein Balanceakt. Jeden Tag.

Dies ist die ausdrucksvollste und stimmigste Animation die Krankheit Depression zu erklären

Verlust

„Keine Weisheit, die auf Erden gelehrt werden kann, kann uns das geben, was uns ein Wort und ein Blick der Mutter gibt“ – Wilhelm Raabe.

Es gibt so viele Gründe warum ein Mensch an Depression erkranken kann. Erst durch eine intensive Therapie viele Jahre später konnte ich verstehen warum es mir passierte. Davon werde ich erzählen. Besonders auch mit dem Hintergrund zu zeigen, dass wir Menschen viel stärker sind, als wir denken. Auch wenn ich den Mut verlor, blieb trotzdem die Sehnsucht und das Wissen, dass ich irgendwann zu dem fröhlichen Menschen zurück kehren werde der ich war und bin. Meine Mutter in so jungen Jahren zu verlieren, ist die tiefe Narbe meiner Seele. Aber ich habe das Gefühl, dass ich dadurch letztendlich zu der Person geworden bin, die ich heute bin. Ich verstehe den Weg des Lebens; um heute hier zu sein, musste ich durchmachen, was ich erlebt habe.

Meine Mutter mit 40 Jahren kurz vor ihrem Tod 1980. Ich, ihre Tochter heute!

Mit Ende 30 erkrankte meine Mutter, mein Zwillingsbruder und ich waren 12 Jahre alt. Da ich Jahre später ihre Aufzeichnungen gelesen habe, weiß ich heute wie hilflos sie und damals auch mein Vater, ihre Eltern, Freunde und Ärzte und besonders natürlich wir Kinder waren. Wir konnten gar nicht begreifen was mit unserer Mutter geschehen war. Nachts konnte sie vor Herzrasen nicht schlafen, tagsüber liefen die Tränen. Meine Eltern hatten einen sehr großen Freundeskreis, sehr oft trafen sie sich mit Freunden und feierten. Meine Mutter liebte Gesellschaft, morgens betrachteten mein Bruder und ich oft neugierig die Überbleibsel nach Partynächten zuhause, wie z.B. bunte Blechdosen für Zigarillos. Sie waren stark eingebunden erst in einen Reitverein, später war es Tennis. Meine Mutter wickelte mit ihrer Fröhlichkeit und ihrem Lächeln jeden um den Finger. Ganz große Hilfsbereitschaft zeichnete sie aus, für uns Kinder war sie immer da. Das änderte sich plötzlich und niemand begriff damals was geschehen war. Ca. 2 Jahre kämpfte sie mit der Hilfe von Ärzten, verschiedenen Medikamenten, Akupunktur, Hypnose und Klinikaufenthalten. Nichts half. Wir erlebten sie zuhause weinend im Bett. Sie stand nicht auf, nach der Schule hofften wir vergeblich auf ein Mittagessen. Oft waren Freunde bei uns zuhause, die ihr gut zuredeten. Ich erinnere mich gut, dass meine Mutter immer sagte: „Ich will nicht verrückt werden, ich will nicht sterben“. Und ich als Kind immer nur antworten konnte: „Mami, du bist nicht verrückt und du musst nicht sterben.“ Nachdem sie einmal bereits versuchte sich das Leben zu nehmen, verschloss mein Vater ihre Medikamente, glaube ich mich zu erinnern. Wahrscheinlich gab er nur die Tagesration aus.

Es war an einem Sonntag. Meine Mutter war ungewöhnlich gelassen und gut gelaunt. Am frühen Abend verkündete sie noch einen Spaziergang zu machen. Mein Vater spaßte und sagte: “ du hast koch keine Medikamente dabei.“

Meine Mutter auf der Insel Formentera

Sie kehrte nie zurück. Große Suchaktionen starteten. Eineinhalb Monate war sie verschwunden. In der Zeit schickte unser Vater meinen Bruder und mich mit Bekannten in den Urlaub. Mein Bruder war in den Dolomiten, ich in Berlin. Als ich zurückkehrte und nicht mein Vater mich vom Flughafen abholte, sondern ein Freund, wusste ich, es ist etwas passiert. Zuhause in der Eingangstür verkündete mir mein Vater, meine Mutter sei tot gefunden worden, sie hatte sich im nah gelegenen See ertränkt. Mein Opa kam auf mich zu mit den Worten: „Kind, weine nicht.“ Das war alles …. Ich rannte heulend und aufgelöst die Treppen hoch zu meinem Bruder ins Zimmer, der auf dem Bett lag und nichts entgegnen konnte. Irgendwann in der Nacht kam mein Vater zu mir ans Bett, weinte und sagte er habe ihre Leiche identifizieren müssen und konnte, da sie vom Wasser nach 1 1/2 Monaten so aufgedunsen war, sie nur noch an ihrer Kette mit dem Tennischläger als Anhänger erkennen. Mit diesen grausamen Bildern im Kopf ließ er mich von da ab alleine. Meine Mutter wurde zum Tabuthema, wir durften nicht über sie sprechen. Niemand kümmerte sich um uns Kinder. Niemand. In der 8. Klasse sank ich ab, von damals der Klassenbesten zu den schriftlichen Noten 6 , 6 , 5+ in Mathematik. Das ist mir in Erinnerung geblieben. So trug ich mein ganzes Leben dieses traumatische Erlebnis mit mir. Mein Bruder und ich funktionierten einfach weiter, gingen zur Schule, zum Tennis, Guitarrenunterricht, usw. als sei nichts passiert. Es gab keine Gespräche, keinen Trost, niemand beantwortete unsere Fragen. Meine Mutter verließ uns mit den Zeilen in ihrem Kalender: Ich beschließe aus dem Leben zu gehen… Viele Jahre konnte ich nicht verstehen wie sie uns, ihre Kinder, im Stich lassen konnte. Heute kann ich nachvollziehen, wie sehr die Erkrankung an Depression den Menschen einnimmt und man einfach nicht mehr weiter weiß.

Als ich Jahre später selbst an Depression erkrankte, lernte ich in der Therapie, dass ich zum Schutz meines eigenen Überleben damals, nach dem Tod meiner Mutter, meine Gefühle eingefroren hatte. Als die Gefühle langsam wieder zurückkamen, musste ich vieles in dieser Hinsicht neu erlernen. Besonders schwierig war es für mich mit dem Gefühl der Wut umzugehen. Wut kannte ich nicht. Jetzt konnte ich sie kaum kontrollieren und benahm mich manchmal wie ein aufsässiges Kleinkind. Heute bin ich ein sehr glücklicher und dankbarer Mensch. Ich war stark und bin es noch heute. Was immer blieb ist eine Leere, welche ich an manchen Tagen spüre. Diese Leere ist nicht zu ersetzen; meine Mutter fehlt noch heute und dieses Empfinden bestärkte mich enorm, zu kämpfen um meiner Tochter so lange es geht mit meiner Liebe zur Seite zu stehen. Als ich 2011 sehr ernst an Depression erkrankte, musste sie im gleichen Alter diese Verlustangst erfahren , wie ich damals. Im Unterschied dazu erklärte ich ihr aber vieles, auch wenn sie natürlich trotzdem bangte und eine sehr schwierige Zeit durchmachte, da auch ich ihr in dieser Phase nicht die gewohnte Aufmerksamkeit schenken konnte. Ich war viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Heute ist sie 21 Jahre alt und wir konnten manches aus der Zeit in ruhigen Gesprächen aufarbeiten, genauso aber gab es tränenreiche Diskussionen; ersetzen kann ich die gemeinsame Zeit die wir in der akuten depressiven Episode verloren, jedoch leider nicht. Und das bedauere ich heute sehr. Aber ich konnte damals nicht anders. Genauso wie meine Mutter vor Jahren nicht anders konnte, mein Vater all die Jahre nur mit Verdrängen zurecht kam und ich eher meine Großmutter über den Verlust ihrer Tochter hinwegtrösten musste, als dass sie mich wahrnahm. Irgendwann muss man verzeihen lernen.

Verlust

Es gibt eine so große Lücke in meinem Leben ,

immer wieder komme ich zu dem Punkt , dass etwas sehr bedeutungsvolles fehlt,

kein anderer Mensch kann in dieser Hinsicht etwas bewegen, geschweige mir das Fehlende geben.

Der Gedanke bleibt. Er quält.

Niemand kann die Liebe meiner Mutter ersetzen ,

die Sehnsucht nach Geborgenheit bleibt.

Leider,nach so vielen Jahren sind auch Erinnerungen nur noch Fetzen,

dennoch nichts was irgendwie befreit .

Es ist etwas essentiell Wesentliches ,

von einem auf den anderen Moment mir in der Kindheit entrissen,

funktionierte ich ewig emsig beflissen ,

heute wissend die Basis wurde mir komplett entrissen.

Es bleiben liebevolle und sehnsüchtige Gedanken ,

einem Menschen gegenüber der hilflos und in verzweifeltem Ranken,

mit einer Krankheit konfrontiert,

die unsäglich strapaziert.

Ein wichtiger Nachsatz:

bitte wenn auffällt, dass ein Familienmitglied, Freund oder Arbeitskollege, verschlossener wird, sich sozial abgrenzt, teilnahmslos ist, den Appetit verliert, schlaflos ist, vielleicht eine Sucht entwickelt und vor allem spätestens, wenn der Wunsch nach dem Tod geäußert wird, sprecht die Person deutlich an und bietet Hilfe an. Und werdet besonders hellhörig, wenn dieser Mensch plötzlich ruhig und fröhlich wirkt. Dann kann das Vorhaben sich tatsächlich das Leben zu nehmen, schon beschlossen sein.

Wechselhaft

Farben, Lichter, Aspekte,

es gibt nichts,

das der Herbst nicht in mir weckte.

Schien die Sonne vor kurzem noch monatelang, wird mir von jetzt auf gleich bang.

Plötzlich pfeift der Wind mir um die Ohren, schon beginnen alte Gedanken zu bohren.

Dicke Wolken scheinen zu erdrücken,

die Sonne kämpft sich durch wenige Lücken.

In jeder Zeit das Positive sehen,

aufrecht durch alle Stürme gehen,

egal was kommt zu akzeptieren,

tapfer und mutig jeder Situation entgegen marschieren !

Jede Witterung durchleben,

darin erklärt sich der Menschheit Bestreben.

Wir können so viel erreichen,

jeder ist verantwortlich im Stellen der Weichen .

Auch mit diesen Zeilen machte ich mir damals selbst Mut. Tatsächlich ist es so, ist man an Depression erkrankt, bleibt die Angst, dass auch wenn die Krankheit gerade schlummert, man erneut ins tiefe Dunkel sinkt. Bisher hatte ich in meinem Leben, angefangen im Alter von 26 Jahren, 4 depressive Episoden. Außer Therapien und medikamentöser Unterstützung, gibt es auch Ansätze und Wege diese Phasen ein wenig selbst zu steuern. Dabei ist es wichtig achtsamer zu sein, sich selbst mehr zu beobachten. Als ich nach langer Therapie plötzlich wieder anfing zu „schlittern“ (hier passen tatsächlich viele Verben den Zustand zu beschreiben z.B. auch wackeln, rutschen, purzeln, straucheln… und und und), suchte ich aufgrund meiner Unsicherheit kurzfristig erneut eine Psychotherapeutin auf. Die wenigen Gespräche mit ihr waren sehr prägend. Ich war nur 2 oder 3 mal bei ihr, aber es reichte aus, meine Schritte wortwörtlich wieder zu stabilisieren; in jeder Hinsicht. Daher kann ich nur befürworten nicht zu warten, sondern rechtzeitig das Gespräch suchen. Wenn ich mich im Sport verschlechtere, irgendwie der Wurm drin ist, suche ich doch auch die Unterstützung eines Trainers. Also ist es nicht verwerflich, mir in meinem Leben bei Bedarf einen Coach zu suchen. Die Therapeutin damals fand mich ok, wie ich bin und gab mir einen entscheidenden Hinweis mit auf den Weg. Hier merke ich kurz an, dass anhand meiner Erzählungen der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse, der zig Stunden, die ich dreimal in der Woche über fast zwei Jahre, die ich hinter mir hatte, die jetzige Therapeutin mir vorschlug ihre Kollegin bei der ich war, bei der Ärztekammer, anhand ethischer Richtlinien, die sie verletzt sah, anzuzeigen.Ich erwähne dies, um deutlich zu machen; eine Therapie ist kein Spaziergang. Dieser Prozess kostet enorm viel Kraft aber das ist ein anderes Thema und vielleicht nehme ich es irgendwann mal auf. Heute kann ich nur augenzwinkernd sagen, dass ich selbst diese Tortur damals überlebt habe 😉 Jetzt zurück zu der entscheidenden Aussage. Die Therapeutin nahm mir die Angst vor einem Rückschlag, indem sie mir erklärte, dass eine depressive Phase in 5-6 Wochen durch gestanden sei, sollte ich wieder straucheln. Ich weiß nicht einmal ob es tatsächlich so ist, ich habe es nie hinterfragt, aber seitdem kann ich viel leichter akzeptieren, sollte es mir wieder schlecht gehen. Die Akzeptanz hilft sehr. Ich sitze es einfach aus! Sehr anschaulich zeichnete sie mir auf, unter welchen Voraussetzungen eine neue depressive Episode wieder möglich ist. Sie malte mir 3 Töpfe; 1 Topf ist genetisch-biologisch fast randvoll, der zweite Topf ist ebenfalls durch meine Lebensgeschichte, die Belastungen und meiner Erfahrung mit der Welt als Kind gut gefüllt. Es passt fast nichts mehr rein. Sollten akute neue Belastungen Stress auslösen, so bringt dieser dritte Topf das Fass zum überlaufen. Mein oberstes Gebot bedeutet also dies in jedem Fall versuchen zu verhindern. Deshalb ist es wichtig auf mich zu achten. In der Vergangenheit habe ich auf viele und vieles geachtet, aber nicht auf mich. Ich muss mich beobachten. Dazu gehört meinem Körper Aufmerksamkeit zu schenken. Auf Schlaf, Appetit, Schmerzen und Erschöpfung zu achten. Mein Verhalten in Bezug auf sozialen Rückzug zu durchleuchten. Gedankliche Prozesse mir vor Augen zu führen und natürlich auch mir meiner Gefühle bewusst zu sein.

Es war ein Lernprozess mir anzutrainieren, inne zu halten und mich in Situationen z.B. zu fragen möchte ich das, ist es mein Wunsch, geht es mir gut damit. Auch für mich herauszufinden womit geht es mir gut, was tut mir gut. Heute weiß ich es besser, trotzdem ertappe ich mich natürlich auch dabei in alte Muster zurück zu fallen. Aber ich erkenne es zumindest jetzt und kann es ändern. Die Therapeutin empfahl mir damals auch den MBSR Achtsamkeitskurs zu machen. Trainieren tue ich nicht mehr, manchmal hole ich mir noch einmal die Unterlagen hervor, zweimal machte ich auch ein „refresher“ Wochenende. Das Achtsamkeitstraining hilft sich kennen zu lernen und zu reflektieren. Zum Beispiel über das ganz persönliche Stresserleben nachzudenken, indem ich mir beantworte 1. Ich gerate in Stress, wenn… 2. Ich setze mich unter Stress, indem… 3. Wenn ich im Stress bin, dann… Genauso kann ich achtsame Kommunikation üben und so meinen Anteil an einem Gefühl übernehmen und meinem Gegenüber mehr Spielraum geben. Im Verlauf eines Gesprächs ist es ein Unterschied, ob ich sage:“ Du bist rücksichtslos“ oder „Ich fühle mich übergangen.“ Ich Botschaften gelten als sehr kommunikationsförderlich. Sprich über dich selber, deine Gefühle und Gedanken. Konzentriere dich auf dein Erleben und entfalte es. Teile dem anderen so viel wie möglich mit, was dich bewegt. Eine positive Übung ist auch in 60 Sekunden zwanzig Dinge aufzuschreiben, für die man aufrichtig dankbar ist. Los! Es ist überraschend für wie vieles wir dankbar sein können. Die Hauptziele die sich für mich in diesen Kursen herauskristallisierten waren konsequenter und spielerischer mit meinen Wünschen umzugehen, nach für mich unangenehmen kränkenden Situationen mir Zeit zu nehmen und nicht gleich zu explodieren und weiterhin mein Bewusstsein im Allgemeinen, aber auch für meine Erkrankung behalten, schulen und natürlich damit umgehen. Hier merke ich gerade an Punkt zwei müsste ich mal wieder rangehen. Aber auch ganz simple Dinge erleichtern ein Leben mit Depression. Sehr hilfreich ist ein Tagesrhythmus einzuhalten. Für mich ist auch ein halbwegs aufgeräumtes Haus wichtig. Egal ist mir heute auch wie jemand über mich denkt. Mich muss auch nicht jeder mögen. Es muss für mich richtig sein, nicht für andere. Es kann nicht immer alles passen. Auch wenn ich gelassener geworden bin, ist die eigenartige Zeit im Moment schwierig. Dazu kommt die dunkle Jahreszeit. Jetzt müssen wir Menschen mehr selbst strahlen und freundlich miteinander umgehen. Also nicht verstecken, raus in die Natur. Bewegung hilft und ein agiler freundlicher Hund. Wenn es so einfach wäre 😉

Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Besorgnis über deinen Kopf fliegen, aber du kannst verhindern, dass sie sich auf deinem Kopf ein Nest bauen. M-Luther
Photo by Luis Aquino on Pexels.com

Herbst

Herbst

Der Nebel liegt sanft über den Feldern,

der Tag wartet unschuldig,

die Sonne noch gänzlich fern,

 Natur ist geduldig.

Ein langsames Erwachen,

bald in voller Pracht,

es entlockt  unser Lachen,

für jeden gemacht.

Einmal noch die Wärme spüren,

von den Strahlen zehren,

perfekte Tage, die berühren,

 niemand wird sich wehren.

Jetzt heißt es Abschied nehmen,

vor uns liegt das Triste,

Mächte die uns zähmen,

reihen sich in die Liste.

Glücklich wer geborgen,

sicher weich gebettet,

noch ist nichts verloren,

vielleicht ist man gerettet.

Es ist Herbst. Dieses Jahr empfinde ich den Start des Herbstes fast übergangslos vom Sommer. Vielleicht weil im Moment in dieser eigenartigen Zeit alles etwas „runtergefahren“ ist. Das Leben puliserte diesen Sommer nicht. Und hier finde ich den Übergang, um zu versuchen den erbärmlichen Zustand zu beschreiben, in dem sich ein Mensch befindet, ist er an Depression erkrankt. Als ich 2011 erkrankte, war es Hochsommer und ich war mit meiner Familie bei meiner besten Freundin in der Nähe von Los Angeles. Interessant war, dass ihre damals 13 Jahre alte Tochter als Einzige bemerkte, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich sprach und aß kaum. Obwohl ich bei Freunden an einem meiner liebsten Orte bei strahlendem Sonnenschein am Meer war, ging es mir schlecht. Man muss sich vorstellen es hängen andauernd dicke Wolken über einem; dichter Nebel umgibt einen permanent. Gedanken sind vernebelt, der Zustand wirkt bedrohlich und ließ mich nicht in den Schlaf finden. Über Monate angesammelter Schlafmangel raubte mir die Kaft.Von der Schwere fühlte ich mich zu Boden gedrückt. Ich aß nur mechanisch um nicht zu verhungern. Gesellschaftliche Anlässe, Ausgehen, Menschen treffen, überforderten mich. Überhaupt aus dem Bett hervor zu kriechen, kostete viel Überwindung. Wärme ist nicht zu spüren, Gefühle sind erfroren. Ich konnte mir selbst nicht erklären, was mit mir passiert war und glaubte lange, dass ich mich da alleine heraus manövrieren würde. Dem war nicht so. Im November offenbarte ich mich der Familie und suchte mir Hilfe. Das war entscheidend. Ein langer Weg über Jahre mit Therapie und Medikamenten begann. Das war meine einzige Chance. Und ich habe es geschafft! Ich möchte all denen Mut machen, die auch kämpfen. Sucht Hilfe! Man muss nicht alles alleine schaffen. Mein Bruder, einer meiner ersten Ansprechpartner damals, sagte als Arzt gleich zu Beginn: „Es gibt keinen Grund sich zu schämen. Es ist eine Erkrankung wie jede andere.“Das zu akzeptieren fiel auch mir anfangs sehr schwer. Heute lebe ich mit der Erkrankung. Und ich lebe gut 🙂

Das Wort

Ich liebe sie die vielen Worte.

Sie führen mich leicht an andere Orte.

Lassen mich der Wirklichkeit entfliehen,

den trüben Aussichten entziehen.

Mit den Buchstaben spielen,

mich in jede Zeile verlieben.

Es gefällt mir das Schreiben,

hier will ich bleiben.

Im Kopf kein wildes Zanken,

keine Schlacht der Gedanken.

Ich lade dich ein,

so kannst auch du bei mir sein.

Lernst mich zu verstehen,

meine komplizierte Welt zu sehen.

Ich freue mich wenn es gelingt

und so uns beiden viel bringt.

Eigentlich sollte “ Das Wort “ mein erster Beitrag sein, aber durch unsicheres „herumprobieren“ in wordpress veschwand er. Insgesamt sollen meine Worte eine Einladung sein. Eine Einladung in meine Gedankenwelt und vielleicht ein vorsichtiges Verstehen einer psychischen Erkrankung. Depression lässt sich schwer in Worte fassen, noch schwerer ist es für Mitmenschen, selbst Familie oder Freunde die Erkrankung zu erkennen. Man hat kein Fieber oder Ausschlag, es lassen sich keine erhöhten Werte messen. Eventuell nach außen erkennbare Symptome, wie z.B. anfängliche Teilnahmslosigkeit, Interessenverlust und eine nicht erklärbare tiefe Traurigkeit werden eher schlicht als schlechte Laune empfunden. Niemand sieht die Schlaflosigkeit, den ständigen Kloß im Hals, die Übelkeit, den permanenten Druck auf den Brustkorb, unterdrückte Tränen und die Hilflosigkeit. Lange noch kann man so funktionieren. Ich selbst dachte auch immer, ich schaffe das alleine. Aus diesem Loch werde ich mich selbst befreien können. Irgendwann habe ich wieder genug Kraft den schweren Felsbrocken, der auf mir liegt, abzuwerfen. Leider nein, irgendwann folgen körperliche Symptome. Ich musste mich zum Essen zwingen und vor allem aufgrund der monatelangen Schlaflosigkeit wurde ich auch physisch schwächer.

Zum Glück ist die letzte Episode der Krankheit eine Weile her. Als es mir sehr schlecht ging, half mir das Schreiben. Das Reimen machte mich gegen die tägliche Auseinandersetzung mit den, ich nenne sie mal dunkle Gedanken, weniger empfindlich, gab mir Kraft den erbärmlichen Zustand im Wortsinn durchzustehen, ja zu überleben. Reime erweiterten mir den Denkraum. Ob eine unmittelbare Heilkraft der Wörter die Symptome mildert und das Befinden bessert, weiß ich nicht, aber ich wurde, zumindest für einen Moment von einer Last befreit. Nach jeder gefüllten Seite mit sprudelnden Worten fühlte ich mich leichter. Irgendwie muss ja auch begründet sein, dass Mütter und Väter nicht nur pusten, wenn das Kind eine Wunde hat, sondern einen Reim singen und dies wahrhaftig hilft….

Heile, heile Gänschen
Es ist bald wieder gut
Das Kätzchen hat ein Schwänzchen
Es ist bald wieder gut
Heile, heile Mausespeck
In hundert Jahren ist alles weg

%d Bloggern gefällt das: